KGV-Westersieck e.V.
Chronik

Gründungsjahr 1944


50 Jahr-Feier des Kleingartenvereins Westersieck

(24.-27.6.1994)

Meine sehr verehrten Damen, meine Herren, liebe Gartenfreundinnen, liebe Gartenfreunde.

Zum heutigen 5o Jährigen Bestehens des Kleingartenvereins Westersieck wurde ich von unserem 1. Vorsitzenden Heinz Herrmann gebeten, als Kleingärtner der ersten Stunde, Ihnen heute über die Entwicklung und Geschehnisse unserer Gartenanlage zu berichten.

Bevor ich näher darauf eingehe, möchte ich dem Schöpfer danken, diesen Tag des 5o Jährigen Bestehens des Kleingartenvereins Westersieck, noch zusammen mit meiner Frau erleben zu dürfen; waren es von 1944 bis Ende 199o doch gemeinsam mit meiner Familie nach über 46 Jahren die schönsten Jahre unseres Lebens.

Aus meinen Erinnerungen nach 5o Jahren, sei nun nachstehend über die Entwicklung des Vereins und der eigenen Gartengestaltung vorgetragen, stellvertretend auch für die noch wenig überlebenden Pioniere der ersten Stunde, die mit mir die gleiche schwere Last zu tragen hatten.

Vorab seien noch einige Daten aus dem Vereinsarchiv vermerkt:

Nachdem im Jahre 1944 durch die Liegenschaftsverwaltung unserer Stadt die Landfläche, nach langen zähen Verhandlungen mit den Sandkämper Bauern, für die Kleingartenanlage Westersieck nördlich der Fallerslebenerstraße, bis zur Bahn frei gegeben wurde, begann die Aufteilung der Landfläche für etwa 12o Gärten. Die rechtskräftige Ausweisung erfolgte am 3o.09.1944.

Am Tag der Gartenzuteilung machte ich mich zu Fuß auf dem Weg in Begleitung meines langjährigen Arbeitskollegen aus dem VW-Kraftwerk Heinrich Freundlieb; nach Ende des Krieges Direktor der Stadtwerke Wolfsburg und langjähriger Vorsitzender unseres Gartenvereins während der schweren Zeit nach dem Kriege.

Vor uns lag riesengroß ein umgepflügter Acker für rund 12o Gärten von unzähligen Vermessungspfählen abgegrenzt. Eine festgefahrene Schotterstraße durchkreuzte das große Gelände; die Fläche der Schotterstraße lag in der Flächenplanung des Jeweils angrenzenden Gartens.

Da ich meinen Garten neben dem Garten meines langjährigen Arbeitskollegen Heinrich Freundlieb haben wollte, nahm ich in Kauf den Garten nebenan mit 1/3 der Gartenfläche als Schotterstraße zu übernehmen, ohne zu ahnen was, mal auf mich zukommt, wenn das Stück Schotterstraße als Gartenland nutzbar gemacht werden muß, aber darüber sei weiter unten kurz berichtet.

Das Gesprächsthema Nr.1 war bei uns allen die Gestaltung des Gartens, vorbildliche Gärten gabs Ja weit und breit nicht, jeder hatte eine andere Vorstellung, alle waren ihre eigenen Gartenarchitekten.

Man stelle sich vor, man steht vor einem Stück Ackerland von ca. 55o m2, ohne Gartenwege, ohne Zaun, keine Unterstellmöglichkeiten, ohne Wasser, geschweige Toilette, kein Strauch und kein Baum weit und breit und daraus soll mal ein Schrebergarten werden? Ohne viel zu überlegen, muss ja mal angefangen werden.

Vor dem ersten Spatenstich musste erst mit der Gartenaufteilung begonnen werden. Die Vorarbeit begann zunächst mit maßstäblicher Aufzeichnung der Gartenfläche von 55o m2 auf Millimeterpapier, dazu wurde Skizze für Skizze aufgezeichnet, bis endlich die Aufteilung nach dem eigenen Geschmack erfüllt war.

Der erste Punkt waren die Gartenwege, wo kommt der Hauptweg hin, wie wird aufgeteilt, was wird Gemüseland, wo werden Sträucher und Bäume gepflanzt! Was wird mal Rasen und wo kommt mal die Laube hin. Bei all dieser Planung stand mir das Stück Schotterstraße doch sehr im Wege. Probleme über Probleme bereiteten mir so manche schlaflose Nacht.

Von meiner Frau konnte ich keine Unterstützung erwarten, sie hatte 2 kleine Kinder und ihre Mutter zu versorgen und zu pflegen. Da hatten wir noch einen Hausgarten mit Stallungen für 42 reinrassige helle Großsilber Kaninchen und 1o Hühner, alles brauchte Pflege und Futter musste auch herangeschafft werden. Bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 60 Stunden blieb für mich wenig Zeit, von wegen 3o Tage Werksurlaub oder Zeitausgleich und wer fuhr schon mal in Urlaub und womit, heute kennen die 5o-55 Jährigen bereits schon die halbe Welt.

Als weiterer wichtiger Punkt zur endgültigen Gestaltung des Gartens war die Schotterstraße für den Garten nutzbar zu machen.

In gemeinsamer Arbeit mit meinen Gartennachbaren Köcke, Huberts(sen.) Freundlieb und noch einige wurde der Schotter mit der Spitzhacke aufgehackt und von Hand auf Lastwagenanhänger verladen; ich hab die Zahl 1o noch schwach in Erinnerung; etwa die gleiche Menge Muttererde musste herbeigeschafft werden. An der Straßenecke Grauhorstraße / Fallerslebenerstr. war ein großer Hügel Muttererde gelagert, so hatte ich es nicht so weit. Für die Herbeischaffung besorgte ich mir eine Flasche selbstgebrannten Schnaps (es war ja noch Krieg), von der Fa. Schnellecke sein einziges Pferd mit Wagen. Mein damaliger Gartennachbar Heinrich Freundlieb stand mir sehr zur Seite, nur so war es möglich, die nötige Muttererde herbei zu schaffen. Nicht unerwähnt sollte bleiben, dass vor dem Anfüllen der Muttererde der Festgefahrene Untergrund nochmals mit der Spitzhacke aufgelockert werden musste.

Als Belohnung für die Hilfe meiner Gartennachbarn gabs von meiner Frau selbstgebackenen Kuchen mit Rübenkraut, den sie zu Fuß von Prinz-Eugenstraße, jetzige Bebelstraße herbeischaffte. Über den Zeitraum der oben aufgeführten Arbeiten verblassen meine Erinnerungen, da weitere große Probleme anstanden. Es war Herbst 1944, die richtige Zeit für die Anpflanzung von Obstbäumen und Beerensträucher. Keine Ahnung von Obstbaumsorten, Hochstamm, Halbstamm oder Buschbaum, es wurde gekauft was zu kriegen war, wenn Geld da war, denn wir waren ja alle arme Schlucker. So hatten wir einen unter uns Kleingärtnern, der erste Gemüsehändler in unserer Stadt des KdF- Wagen, Paul Schmidt mit einem Geschäft in der Goethestr. Durch seine Geschäftsverbindung mit den Herrn der Stadt, ich denke da an Herrn Niggemeier, Stadtbaubüro, Abt. Liegenschaft wurde ihm entsprechend der Anzahl Kleingärten von Westersieck Obstbäume und Beerensträucher zugeteilt .Zuerst sorgte erstmal Paul Schmidt für sich, was ihm auch zustand, denn er hatte auch den größten Garten von Westersieck, es war der Garten Nr.118 des jetzigen Gartenbesitzers Hans Spillner. Die uns zugeteilten Obstbäume und Beerensträucher reichten bei weitem nicht aus, denn wir hatten ja alle einen großen Garten. Da sich in unserer jungen Stadt mit z.Zt. etwa 8000 Einwohner noch keine Gärtnerei angesiedelt hatte, war man bemüht, außerhalb eine Gärtnerei ausfindig zu machen. So machen wir uns Heinrich Freundlieb und ich mit dem Fahrrad auf dem Weg in Richtung Breitenrode, es war Frühjahr 1945. Vorsichtshalber nahm ich eine Flasche Schnaps, Marke Eigenbau zum Eintauschen mit. In der Nähe von Grafhorst entdeckten wir eine Gärtnerei, für die Flasche Schnaps tauschten wir je 2 Obstbäume, Birne und Apfel ein. Nach Anbringung der Obstbäume an unsere Fahrräder waren die Bäume so sperrig, dass wir zurück die Fahrräder schieben mussten. Unterwegs von einem Schneeschauer und Fliegeralarm überrascht kamen wir völlig durchnässt und durchgefroren nach mehreren Stunden zu Hause an. Bei der Wahl der Obstbäume hatte mein Gartennachbar mehr Glück als ich er erwischte die besseren und schmücken heute noch den Garten meines langjährigen Gartennachbarn Günter Gützkov, im vorigen Jahr 1.Preisträger des schönsten Gartens von Westersieck. Die Birne gehört im Wuchs nach 5o Jahren zu den schönsten Obstbäumen von Westersieck und im Ertrag lag die Ernte im vorigen Jahr bei rd. 6 Zentner, bei der Verteilung stand ich natürlich in der ersten Reihe. Vermerken möchte ich noch, dass meine gegen Schnaps eingetauschten Obstbäume längst der Säge zum Opfer gefallen sind. Jahre vergingen, bis jeder seinen Garten entsprechend bepflanzen konnte und warteten sehnsüchtig auf unsere ersten Erträge, hatte man einen wurzelechten Baum erwischt, musste man 1o-15 Jahre warten.

Nun stand das nächste Problem ins Haus, der Gartenzaun musste her. Bei Umschau in den Nachbargärten nahm jeder was er hatte, eine einheitliche Linie in der Umzäunung gab es nicht. Ich entschloss mich für einen Lattenzaun. Aber außer den Latten mussten auch Pfähle und Querhölzer her, nicht zu vergessen die Nägel, den Hammer hatte ich zum Glück. Wichtig war neben der Anschaffung der Transport. Nach Rücksprache mit der Schillermühle waren die Zaunlatten lieferbar, aber nur bei Selbstabholung mit der Handkarre, von wegen mit den Auto bis vors Gartentor fahren. Bei einer Gartenumzäunung von 21 x 26 Meter war wichtig, die Abstände der Latten zl. eng einzuhalten, denn es kam die Kunde, wilde Kaninchen machen sich breit. Wenn ich glaubte, mit dem Lattenzaun ein Jahrhundertwerk aufgestellt zu haben, sah ich mich nach mehreren Jahren getäuscht, die Latten verfaulten und wurden zusehends unansehnlicher.

Nun musste etwas Besseres her, ich entschloss mich für einen imprägnierten Jägerzaun, vergaß aber dabei den Zementsockel zu setzen. Schneller als ich dachte, spazierten die wilden Kaninchen bei mir ein und aus. Erst waren es die größeren und ehe wir uns versahen, waren die kleinen niedlichen Kuscheltierchen da, den für den Nachwuchs haben deren Eltern immer fleißig gesorgt. Sie kamen durch jede Ritze und fraßen alles ab, sämtliche Kohlsorten überstanden nicht einen Tag, jede weitere Anpflanzung war nutzlos. Nun kam noch eine weitere Überraschung auf mich zu, die Kaninchen bauten sich Nester in meinem Garten. Nach Befragen meines Gartennachbarn Huberts(sen.) warum ich so viel über die Kaninchenplage zu leiden habe, sage er mir lächelnd, in seinem Garten gäbe es nichts zu fressen, die Kaninchen würden mit Tränen in den Augen zu mir rüber rennen um sich bei mir satt zu fressen. Ihr seht liebe Zuhörer, auch damals hatten die Kleingärtner Humor.

Einige Jahre musste ich das Gerenne hinter den Kaninchen in meinem Garten ertragen, des Öfteren wurde ich von Kalle Müller seinem treuen Schwarzhaardackel, als Kaninchenfänger in ganz Westersieck bekannt, unterstützt.

Nach Jahren kam vom Vereinsvorstand eine Anordnung, jeder möge sich an der Vereinheitlichung der Gartenumzäunung beteiligen, mit der Auflage, die neuen Gartenpfähle aus Beton selber herzustellen, ich brauchte für meine Umzäunung insgesamt 4o Betonpfähle.

Über die Knochenarbeit, versetzen der Betonpfähle 6o cm tief, ausrichten nach der Schnur, verzinkten Maschendraht spannen und den Zementsockel gießen, können nur die Kleingärtner berichten, die vor dem gleichen Problem standen.

Aber auch den verzinkten Maschendrahtzaun habe ich bis zur Verrostung überlebt, so sah ich mich doch noch gezwungen, den verrosteten Zaun durch kunststoffüberzogenen Maschendraht 4 x 40 zu ersetzen. Hiermit habe ich die Erstellung der Umzäunung zl. genau geschildert und soll denen die Augen öffnen, die einen fertigen Garten übernehmen, wieviel Mühe und Arbeit da drin steckt.

Zur Lösung des nächsten Problems, die Versorgung des Gartens mit Wasser müssen wir Jahre zurückdrehen. Es war das Jahr 1945, der Krieg war noch nicht aus.

Nun lasse ich mal ihre Fantasie spielen; man arbeitet jeden Tag im Garten; macht sich schmutzig und keine Waschmöglichkeit vorhanden, weil das Wasser fehlt. Die einzige Möglichkeit die uns blieb Wasser aus dem naheliegenden Mittellandkanal eimerweise ranzuschleppen. Nun war die Schlepperei auch nicht immer ganz einfach. Um zum Mittellandkanal zu gelangen, musste man erst durch einen tiefen Graben, dann über Signaldrähte steigen, übers Doppelgleis mit Blick nach links und rechts um nicht von den vorbeirasenden Zügen überrollt zu werden. Dann gings wieder eine steile Böschung runter, wo das schmutzig graue Nass zu holen war; heute für uns unvorstellbar, so mancher Eimer kam nur halb voll an.

Diese umständliche Versorgung mit Wasser bereitete uns Kopfzerbrechen, zumal an klarem fließendem Trinkwasser im Garten noch gar nicht zu denken war.

Meinem Gartennachbar und mir schwebte der Gedanke, nach einer Handschwengelpumpe Ausschau zu halten, denn wir waren ja im VW-Kraftwerk beschäftigt. Dank unserer Verbindungen zu vielen Abteilungen wurde unsere Nachfrage nach einer Pumpe belohnt und zwar in der Abteilung Rohrschlosserei. Der damalige Meister Fritz Weihe bot uns eine bereits schon ausgediente und verrostete, Pumpe kostenlos an; mit einem Handwagen holten wir die Pumpe ab, in der Ungewissheit ob wir auch ohne Schwierigkeiten die Werkswache passieren können. Beim Passieren der Wache war weit und breit kein Wachpersonal zu sehen, wir standen ja kurz vor Ende des Krieges. Dem Leiter einer großen Baufirma, den wir sehr gut kannten, trugen wir unsere Sorgen vor. Der gute Mann kannte sich sehr gut aus, machte für uns die Pumpe gangbar und besorgte das entsprechende Rohrmaterial um die Bohrung vorzubereiten. Bei einer Bohrtiefe von 2,1o Meter wurden wir zu unserem größten Erstaunen überrascht, wir hatten unser eigenes klares Wasser es war der 27.04.1945. Dieses Denkwürdige Ereignis ist durch ein Foto zu belegen. Unsere Freude darüber kann sich kaum einer vorstellen. Nun überschlagen wir wieder einige Jahre.

Inzwischen war ja viel passiert, der Garten war eingezäunt, Bäume und Beerensträucher gepflanzt, aber mit der Ernte hatte es noch gedauert, nur der vorgesehene Platz für das Gartenhaus stand noch leer. Als Erstes gehört ja zu einem Gartenhaus, außer dem Fundament Tür und Fenster, aber weit und breit war nichts zu holen und eine Schreinerei gabs auch noch nicht.

Wieder stand mir das Glück zur Seite, so konnte ich im Kraftwerk durch Umbauarbeiten eines Büros eine dabei ausgebaute und noch gut erhaltene weiß gestrichene massive Holztür, dazu ein Doppelfenster 2x4 Meter gegen eine Schachtel Zigaretten beim Bauführer eintauschen. Damit war der Grundstein für den Bau meines Gartenhauses gelegt. Aber mit der Bauerei des massiven Gartenhauses war noch eine Weile hin, denn außer Zement und Sand gabs noch keine Dachziegel, geschweige Bausteine. Bei der Erstellung des Fundaments von 5,3o x 5,8o Meter habe ich unwissend allein 1o Sack Zement mit Kies vermischt, Mit dieser Menge Zement hätte so mancher Maurer dreimal mehr an Fläche betoniert, aber Lehrgeld muss nun mal gezahlt werden. Obwohl schon einige Jahre nach Kriegsende, vergingen nach Fertigstellung des Fundaments im Jahre 195o, bis zum Richtfest meines Gartenhauses, am 25.07.54 noch weitere 4 Jahre.

Mit welch großer Mühe und nur durch Verbindungen ich nun an die 56o Dachziegel und 21oo Schwimmsteine gekommen bin, ihnen darüber zu berichten, möchte ich mir ersparen.

Ganz im Gegensatz dazu als Vergleichest einem unserer ersten Kleingärtner die Erstellung seines Gartenhauses, ohne viel Mühe und Organisation, förmlich in den Schoß gefallen. Stand da doch plötzlich fast über Nacht im Garten 46 eine aus fast neuen Brettern zusammengezimmerte Gartenlaube, in dieser Bauweise die erste in unserer Anlage. Es war unser Kleingärtner und spätere 2.Vorsitzende Karl Nicolay, als Tischlermeister im Volkswagenwerk beschäftigt. Dieses Gartenhaus war mehrere Jahre die Vorstandslaube, denn ein Vereinsheim gab es ja noch nicht. Über den Bau des Vereinsheimes möchte ich ihnen noch weiter unten berichten.

Unser derzeitiger 1. Vorsitzender Heinz Herrmann hatte wohl für die Vorstandslaube ein Gespür, ist er doch seit über 12 Jahren Besitzer des Gartens 46.

Als Abschluss meiner Gartengestaltung sollten die letzten Arbeiten nicht unerwähnt bleiben, Verlegung der Trinkwasserleitung mit vorschriftsmäßiger Wasser-Uhr-Schacht, Verlegung der Stromleitung mitten durch den Garten, sowie Spannen von rd. 1oo Meter. 5o cm hohen Kaninchendraht zur Abschreckung der kleinen kuschligen braunen Allesfresser. Nur die Mäuse rennen ein und aus, oder rennen zu den Nachbarn Hans Huberts in die Möhren.

Ich hoffe mein Nachfolger Antonio Spinello hat gut zugehört, dass er bei der Übernahme meines Gartens nicht übers Ohr gehauen wurde

Nun möchte ich Ihnen noch kurz vom Bau unseres Vereinsheimes berichten Der Grundbau diese Vereinsheimes ist aus Abbruchsteine der ehemaligen Entlausungsanstalt des Volkswagenwerkes entstanden. Der rote Klinkerbau stand in der Nähe zum Brückenaufgang zur Wache Steg am Schachtweg.

Der Krieg war über 2 Jahre aus. Inzwischen wurde mein ehemaliger Gartennachbar Heinrich Freundlieb am 5.9.46 1.Vorsitzender unserer Kleingartenkolonie und seit Beendigung des Krieges übernahm er die Leitung der Stadtwerke Wolfsburg. Durch seine enge Verbindung zum Volkswagenwerk konnte er in Erfahrung bringen, daß das Volkswagenwerk die Entlausungsanstalt los werden wollte. Wir waren ja noch in der Zeit vor der Währungsreform 2o.6.48.

Nach kurzer Verhandlung unseres 1. Vorsitzenden Heinrich Freundlieb mit dem Volkswagenwerk haben wir die Entlausungsanstalt für eine Reichsmark erworben, allerdings mit der Auflage, den Klinkerbau binnen 2 Tage abzureißen und die Abbruchsteine, außer Eisenträger, abzutransportieren; die benötigten Fahrzeuge besorgte unser 1.Vorsitzender.

Bei den Abrissarbeiten am Karfreitag 1947 waren alle verfügbaren Kleingärtner zur Stelle, trotz schlechten Wetters war am nächsten Tag der Abtransport der Abbruchsteine, die von Hand auf und abgeladen wurden, abgeschlossen. Das Holz konnten wir noch für 800 RM verkaufen.

An dem Baubeginn war noch kein Gedanke, zuerst mussten alle Steine von Hand geputzt werden, eine mühselige und zeitraubende Arbeit. Keiner unter uns, würde heute auch nur einen Stein putzen, denn es war hochwertiger Mörtel, daran wurde im Volkswagenwerk nicht gespart. Zwei Männer habe ich beim Steine putzen noch in bester Erinnerung, es waren u.a. meine Gartennachbarn Huberts und Gewicke, zur Unterstützung ihrer Arbeit, haben auch deren Söhne, damals 10 bis 12 Jahre alt zugepackt. Angesetzte Gemeinschaftsarbeit, so wie heute 1o-15 Stunden im Jahr, kannten wir damals noch nicht, wir hätten nur darüber lachen können. Es gab viele Kleingärtner unter uns mit 3oo Stunden und mehr im Jahr; ich erinnere mich an den Vater unseres heutigen 1.Vorsitzenden Heinz Herrmann mit einem Rekord von über 360 Stunden.

Bis zur Einweihung diese Vereinsheimes im Jahre 53/54 waren 6-7 Jahre vergangen, eine lange Zeit, für uns heute unvorstellbar. Durch die in den Jahren danach noch durchgeführten Umbau und in jüngster Zeit ausgeführten Verschönerungsarbeiten wurde ein Vereinsheim geschaffen, wo sich jeder drin wohl fühlen kann, und schon weit über Wolfsburger Grenzen bekannt ist. Über das schön gepflegte Bier in unserem Vereinsheim haben wir Pioniere der 1. Stunde vor 4o Jahren nur geträumt.

Hiermit habe ich Ihnen meine lieben Gartenfreundinnen und Gartenfreunde einen kleinen überblick von der Entstehung eines Gartens vom 1. Graten- stich bis zur Vollendung in unserer Gartenkolonie Westersieck gegeben; in einer schweren Zeit, wo in unserem Land noch Krieg herrschte, bis in eine neue Zeit nach dem Kriege, wo wir verunsichert unsere Zukunft vor Augen sahen und miterlebten ,wie ein schmaler Silberstreifen am Horizont sichtbar wurde.

Ich bin stolz und glücklich, mit allen Männern der ersten Stunde in guter Zusammenarbeit und Kameradschaft als Gründer dieser Kleingartenkolonie Westersieck vor 5o Jahren heute mit 80 Jahren noch vor Ihnen zu stehen.

Zum Schluss sollte ich noch hinzufügen, dass mir für die Vorbereitung dieses Vortrages 3 Monate Zeit zur Verfügung stand. Hierbei habe ich alles Erlebte mit all meinen Empfindungen und mit großer Sorgfalt zu Papier gebracht.

Diese Zeit der Vorbereitung hat mich als ehemaliger Kleingärtner noch mal so richtig aufleben lassen, stand ich doch damals in der Blüte meines Lebens und heute sage ich: "ach du Schreck, Jugend und der Lack sind weg, Knochen knacken, Sehnen reißen und Probleme beim Beißen"

Ein Wunsch von mir sei abschließend noch vorgetragen, einige Jährchen durch unsere schöne Kolonie spazieren zu dürfen, mit einem Schwätzchen über den Zaun mit dem einen oder anderen der mir noch verbliebenen Bekannten machen zu dürfen.


Allen Kleingärtnern noch viele glückliche und erholsame Jahre in unserer schönen Gartenkolonie Westersieck.