Kleingartenanlage Zähringer Korso

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Verfasst am 04.12.2023 um 09:00 Uhr

„Die Chancen auf dauerhafte Sicherung sind besser geworden“    

Rückblick von Präsident Gert Schoppa auf das Jahr 2023 - ein Interview    

Gert Schoppa im Interview.

Für ganz Berlin und für das Kleingartenwesen in der Stadt war 2023 ein ereignisreiches Jahr. Was waren die wichtigen Veränderungen in der Politik und im Verband? Welche Erfolge konnten die Gartenfreunde verbuchen und welche Herausforderungen mussten sie bewältigen? Im Interview mit dem „Gartenfreund“ zieht Gert Schoppa, der Präsident des Landesverbandes, Bilanz.


Herr Schoppa, noch ist 2023 nicht ganz vorüber. Aber wenn wir jetzt schon mal zurückblicken – was wird Ihnen selbst in Erinnerung bleiben von diesem Jahr?

Das einschneidendste Ereignis für die Berlinerinnen und Berliner war mit Sicherheit die Wahlwiederholung im Februar. Das Ergebnis hat ja auch große Auswirkungen für die Kleingärtnerinnen und Kleingärtner gehabt. Bei uns im Landesverband gab es den einen oder anderen Meilenstein, angefangen mit dem Wählerforum und dem Tag des Gartens. Aber für mich sind es nicht nur die großen Ereignisse und Events, die zählen. Ich erinnere mich gerne an viele schöne Veranstaltungen im Kleingartenwesen, wo man ein Miteinander gespürt hat, eine Herzlichkeit und Wertschätzung füreinander. Die Vereinsjubiläen in der KGA Loraberg in Neukölln oder Am Schlosspark I in Pankow beispielsweise habe ich so erlebt. Das sind die schönen Momente, die ich mitnehme aus dem Jahr 2023.


Trotzdem nochmal zur großen Politik. Die Februar-Wahlen waren für den Landesverband ja quasi eine Steilvorlage, um neue Bewegung in die Kleingartenpolitik zu bringen, oder?

Ja, sicher. Wir sind da schon im Vorfeld an die Parteien herangegangen und haben unsere Positionen deutlich gemacht. Mit unserem Wahlforum im Januar ist es uns rechtzeitig gelungen, die Spitzenkandidaten für die Sicherung der Kleingartenflächen zu sensibilisieren. Diese Veranstaltung, aber auch die vielen Gespräche am Rande mit Parteien und Abgeordneten haben mit den Ausschlag dafür gegeben, dass im Koalitionsvertrag das Ziel der Kleingartensicherung klarer als in der Vergangenheit benannt wurde.


Der Regierungswechsel war ja so gesehen ein Glücksfall. Gut für die Kleingärtner, dass Kai Wegner jetzt regiert?
Ich will das Ergebnis der Wahl gar nicht bewerten. Aber die Wiederholung der Wahl hat gezeigt, dass wir in einer Demokratie leben, in der man sich korrigieren kann. Das ist nicht selbstverständlich auf der Welt. Kai Wegner selbst ist eine Person, die schon sehr lange, vor allem in Spandau, Kontakt mit Kleingärtnern hält, und er trifft die Sprache der Kleingärtner. Insofern bezeichne ich es als ein glückliches Moment, dass er jetzt zusammen mit der SPD versuchen möchte, bis 2026 eine belastbare Regelung zur Sicherung der Kleingartenflächen zu schaffen.


Der Regierende Bürgermemister, Kai Wegner, beim Tag des Gartens des Landesverbandes am 9. Juni 2023 in Berlin-Rehberge.

Ein Versprechen, das er beim Tag des Gartens im Juni den Kleingärtnern in aller Öffentlichkeit gegeben hat ...

Richtig, und nicht nur dort. Er hat seither durch vielfältige Besuche in Kleingartenanlagen bewiesen, dass das keine Eintagsfliege war.


Nun ist der neue Senat schon sieben Monate im Amt. Müsste nicht langsam etwas passieren in Sachen Kleingartensicherung?

Natürlich, wir müssen als Landesverband immer wieder nachhaken und im Gespräch bleiben. Wir waren im Juni zu einer Anhörung im Umweltausschuss eingeladen und konnten den Abgeordneten unsere Position dort noch mal klar und deutlich ins Stammbuch schreiben. Und nicht alles passiert im Schaufenster der Öffentlichkeit. Ich bin im Gespräch mit den beiden Regierungsfraktionen und deren umweltpolitischen Sprechern, Danny Freymark und Linda Vierecke, und nach meinen Informationen wird im Hintergrund bereits an einer Gesetzesregelung gearbeitet. Ich habe die begründete Aussicht, dass wir bis zum Frühjahr 2024 einen Gesetzentwurf zur Kleingartenflächensicherung zur Stellungnahme bekommen könnten.


Lag es nur am Regierungswechsel, dass die Gartenfreunde und ihre Anliegen jetzt offenbar mehr Gehör finden als all die Jahre vorher?

Da geht es nicht nur um Parteipolitik, sondern die Folgen des Klimawandels haben ein Umdenken bewirkt. Die Erkenntnis, dass wir die kleinen grünen Elemente in der Stadt dringend benötigen, hat sich bei immer mehr Akteuren durchgesetzt, und deshalb sind die Chancen für eine langfristige Sicherung der Flächen – auf Generationen hinaus – besser geworden.


Trotzdem sind auch in diesem Jahr wieder Kleingartenanlagen gekündigt worden. Heißt das nicht: Wie bisher verspricht die Politik viel, aber hält wenig?
Wir dürfen uns keine Illusionen machen: Auch wenn wir ein Sicherungsgesetz bekommen, werden wir niemals eine 100-prozentige Sicherheit für sämtliche Kleingärten erreichen. Denn kein Berliner Gesetz kann das Baugesetzbuch der Bundesrepublik aushebeln. Bei Kleingärten, die als Bauflächen ausgewiesen sind, werden wir auch in den kommenden Jahren die ein oder andere Kündigung erleben. Wir können nicht als Verweigerer dastehen, wenn es um den Bau von Kitas, Schulen oder anderen sozialen Einrichtungen geht. Wir müssen nur sehen, dass wir die Kriterien hoch hängen, ein transparentes Verfahren haben und den Kleingärtnern mit klarem Blick und gutem Gewissen erklären, dass es keine andere Möglichkeit gibt, als an genau dieser Stelle etwas zu errichten.

Das Gesetz soll also vor allem höhere Hürden für die Bebauung von Kleingärten bringen?

Wir sind der Meinung, dass solche Fälle nicht mehr abseits der Öffentlichkeit im Hinterzimmer entschieden werden dürfen. Letztendlich muss jede Inanspruchnahme einer Kleingartenfläche im Abgeordnetenhaus entschieden werden.

Gilt das auch für private Flächen?
Bei den privaten Kleingartenflächen kann der Senat nicht gesetzlich eingreifen. Wenn solche Parzellen bereits als Bauflächen ausgewiesen sind, würde das einer Enteignung der Grundstückseigentümer gleichkommen. Man muss hier in jedem Einzelfall prüfen, welche rechtlichen Möglichkeiten bestehen. Gerade bei den privaten Flächen haben aber auch die Kleingärtnerinnen und Kleingärtner selbst eine große Verantwortung: Sie dürfen sich nicht angreifbar machen durch das, was sie auf ihren Parzellen tun oder eben auch nicht tun. Wir müssen immer damit rechnen, dass die Grundstückseigner sehr genau darauf schauen, was auf ihren Flächen geschieht und ob die vertraglichen Regelungen eingehalten werden.

Neben der Flächensicherung hat sich der Landesverband auch zum Ziel gesetzt, mehr Einigkeit unter den Berliner Kleingärtnerinnen und Kleingärtnern zu erreichen. Welche Fortschritte gab es hier 2023?

Alle Berliner Bezirksverbände haben grundlegende Ziele gemeinsam: das Beste für unsere Unterpächterinnen und Unterpächter zu erreichen und möglichst viele Kleingartenflächen zu erhalten. Ein gutes und erfolgreiches Miteinander kann man aber nicht verordnen, das geht nur durch ständige Kommunikation und Annäherung. Deshalb haben wir insbesondere in den Erfahrungsaustausch zwischen den Bezirksverbänden sehr viel Kraftinvestiert. Ganz wichtig ist aber eine breite Beteiligung in den Bezirksverbänden. Die Verantwortung darf nicht auf einige wenige delegiert werden, sondern wir müssen viele Menschen dafür gewinnen, sich zu engagieren. Gemeinsam planen, gemeinsam arbeiten und gemeinsam feiern – das macht unser Vereinsleben aus und das müssen wir in jedem Verein umsetzen. Denn nur so können wir eine Gemeinschaft aufbauen.


Die Vorständekonferenz des Landesverbandes am 16.09.23 in Berlin.

Der Landesverband hat in diesem Jahr einige neue Formate ausprobiert, um den Austausch zu verbessern. Mit Erfolg?

Auf jeden Fall. Die Vorständekonferenz im September ist ein schönes Beispiel. Wir haben sie zum ersten Mal durchgeführt. Rund 70 Menschen aus den Bezirksverbänden kamen zusammen, und manche sind sich tatsächlich zum ersten Mal begegnet. Das wurde sehr positiv aufgenommen, und wir wollen das unbedingt wieder machen. Fortgeführt und weiterentwickelt wird auch unsere Gartenfachberaterkonferenz, die im Februar eine erfolgreiche Premiere mit rund 200 Leuten aus ganz Berlin hatte. Und wir haben noch mehr vor: Gerne würden wir möglichst noch in dieser Wahlperiode bis 2025 einen Erfahrungsaustausch für alle Vereinsvorsitzenden organisieren – schon allein, damit man mal sieht und erlebt, wie viele wir sind. Über 700 Vereine im Landesverband!

Leider gab es 2023 nicht nur Positives. Fast das ganze Jahr wurde überschattet von der Krise im Bezirksverband Pankow. Wie überrascht waren Sie selbst vom Ausmaß dieser Affäre?

In diesem Ausmaß war das für mich unvorstellbar. Als wir Ende 2022 erstmals von den Zahlungsrückständen in Pankow erfuhren, nahm niemand an, dass der Verband dort systematisch und über Jahre geschröpft worden war. Und ich hätte mir nie vorstellen können, dass es zu solchen Verfehlungen über einen langen Zeitraum kommen kann, ohne dass ein gewähltes Gremium, der Vorstand oder die Delegiertenversammlung, kritisch nachfragt und seine Kontrollpflichten ausübt. In dieser Form ist es sicher ein einmaliger Vorgang, zumindest soweit ich zurückblicken kann auf die Entwicklungen im Kleingartenwesen, auch über Berlin hinaus.


Was bedeutet das für die anderen Bezirksverbände und das Kleingartenwesen insgesamt?

Betroffen ist zunächst einmal allein der Bezirksverband Pankow, und ich habe keinen Anlass zur Annahme, dass es in anderen Bezirksverbänden ähnliche Vorgänge gibt. Aber die Lehren, die uns Pankow aufgibt, betreffen uns alle: Hier haben sämtliche Kontrollmechanismen, die es im Vereinswesen gibt, offensichtlich versagt. Wir müssen das zum Anlass nehmen, Konsequenzen für alle Verbände und alle Vereine zu formulieren. Die Gremien in einem Verein müssen ihren Aufgaben nachkommen. Auf der Vorständekonferenz wurde deutlich herausgearbeitet, dass es eine kollektive Verantwortung des Vorstands gibt, dass jedes Vorstandsmitglied für das andere haftet. Und auch jedes Vereinsmitglied trägt Verantwortung, nämlich dafür, welche Personen als Funktionsträger gewählt werden. Das ist keine Pro-Forma-Entscheidung.


Noch längst sind nicht alle Vorgänge in Pankow aufgeklärt. Müssen wir damit rechnen, dass noch Schlimmeres als bisher ans Tageslicht kommt?

Ich habe keine Glaskugel und bin auch nicht das Ermittlungsgremium. Es gibt mehrere Anzeigen gegen die damals handelnden Personen. Dort wird nach meinem Eindruck zu wenig ermittelt – und wenn, dann ist es zumindest öffentlich nicht wahrnehmbar. Im Interesse der mehr als 5000 betroffenen Pankower Kleingärtner und ihrer Familien habe ich mich deswegen auch an die Justizsenatorin gewendet. Was die Zahlungsausfälle angeht: Das ganze Ausmaß werden wir erst kennen, wenn der Insolvenzverwalter die Gläubigertabelle abgeschlossen hat und alle Forderungen angemeldet worden sind.


Wie geht es dann weiter?

Die aktuell drängendste Frage ist eine ganz existenzielle: Wird es den Bezirksverband Pankow auch weiterhin geben? Ob der Insolvenzverwalter mit gutem Gewissen einen Sanierungsplan vorlegen kann, wird maßgeblich daran liegen, wie die Vereine die Zukunft des Bezirksverbandes sehen. Wir treten mit allen unseren Möglichkeiten dafür ein, dass sich der Verband neu aufstellt, auch personell. Das kann erst geschehen, wenn das Insolvenzverfahren abgeschlossen ist, optimistisch betrachtet frühestens Ende März 2024. Bis dahin muss ein Neustart im Verband erfolgen, es muss Menschen geben, die die Geschicke in die Hand nehmen, es muss neue Regularien geben und sicher auch außergewöhnliche Maßnahmen – dass zum Beispiel in nächster Zeit die Jahresabschlüsse durch ein Wirtschaftsprüfungsunternehmen aufgestellt werden, um wieder Vertrauen zu schaffen.


Was kann der Landesverband als Dachorganisation in dieser Sache überhaupt tun? Die Bezirksverbände sind ja eigenständig.

Natürlich können wir in Pankow nicht hineinregieren. Aber beratend und motivierend zur Seite stehen und die Gartenfreunde dort in dieser schwierigen Situation unterstützen, das ist unsere Aufgabe und die aller anderen Bezirksverbände. Und ich bin sehr froh, dass unsere Hilfe und unsere Ratschläge von den Pankower Freunden mittlerweile auch angenommen werden.


Wie sieht diese Hilfe konkret aus?

Vor allem haben wir dem Bezirksverband Pankow und den Vereinen in diesem Jahr immer wieder Beratung und Motivation geboten, um den Weg aus der Krise zu finden. Als die finanzielle Situation sich zuspitzte, haben wir empfohlen, das Unvermeidliche zu tun und Insolvenz anzumelden – nur so war der nötige Schuldenschnitt zu erreichen. Wir sind sehr froh, dass wir hier unsere juristische Expertise einbringen konnten, nicht zuletzt durch unseren erfahrenen Verbandsjuristen Klaus Kuhnigk. Und dann waren wir in den vergangenen Monaten mehrfach bei Vorständekonferenzen zu Gast, um aufzuklären und Orientierung zu geben. Aktuell wollen wir die Pankower Gartenfreunde vor allem darin unterstützen, den Neuanfang im Bezirksverband erfolgreich zu gestalten.


Viele Lichtblicke in diesem Jahr, aber auch einige düstere Wolken. Was ist Ihr Fazit für die Verbandsarbeit 2023?
Was wir uns vorgenommen haben für dieses Jahr, sind wir konsequent angegangen, und wir konnten unsere Vorhaben ohne Abstriche umsetzen – das freut mich sehr. Ganz entscheidend für die Verbandsarbeit ist aber auch, dass in den Vereinen und Verbänden Großartiges geleistet wird. Gerade sind wir dabei, die Projekte abzurechnen, die auch in diesem Jahr aus dem Landeshaushalt unterstützt wurden, und das sind tolle Beispiele, was Kleingärtnerinnen und Kleingärtner auf die Beine stellen. Das ist auch für uns sehr motivierend, und wir sagen allen engagierten Vereinsmitgliedern und Funktionsträgern herzlichen Dank dafür. Auf diesem Wege sollten wir 2024 weitermachen.

Was wird 2024 bringen? Was hat der Landesverband vor?
Wir hoffen wieder auf eine rege Beteiligung an unseren Veranstaltungen: Den Tag des Gartens feiern wir am 1. Juni in Treptow, und die Gartenfachberaterkonferenz findet am 13. April statt. Ein ganz wichtiges Anliegen bleibt für uns die Fortbildung aller Aktiven im Landesverband. Beispielsweise wollen wir allen Wertermittlerinnen und Wertermittlern Auffrischungslehrgänge anbieten. Unsere AG Aus- und Weiterbildung arbeitet an weiteren neuen Schulungsinhalten. Und unsere AG Digitalisierung möchte die Bezirksverbände dabei unterstützen, ihre Geschäftsstellen im EDV-Bereich fit zu machen für die Zukunft. Kurzum: Der Landesverband will seiner Funktion als Dienstleister für die Verbände und Vereine noch besser gerecht werden und die notwendigen Neuerungen im Berliner Kleingartenwesen vorantreiben.

Das Gespräch führten Klaus Pranger und Elke Binas, Redakteure des "Berliner Gartenfreunds", Verlag W. Wächter, am 26.10.23.


Mit freundlicher Genehmigung des Verlags W. Wächter. Der Artikel ist auch erschienen in der Dezember-Ausgabe 2023 der Verbandszeitschrift Gartenfreund, Regionalteil Berlin, Seite 22-25. Fotos: Verlag W. Wächter und Archiv Landesverband Berlin


Hinweis

Zum Thema Bezirksverband Pankow siehe auch unterdessen unsere Presseinformation Pankower Kleingärtnerinnen und Kleingärtner setzen auf Neuanfang vom 06.12.23.