Kleingartenverein "Köpenicker Wiesen" e.V.
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Verfasst am 17.01.2023 um 15:00 Uhr

Der richtige Schnitt im Winterhalbjahr -Kernobstschnitt im Garten

Der richtige Schnittzeitpunkt – eine wichtige Entscheidung

Welcher Zeitpunkt ist der richtige, um meinen Obstbaum zu schneiden? Diese Frage stellen sich Gartenfreunde immer wieder, gerade dann, wenn im Garten sonst nichts mehr zu tun ist. Um diese Frage aber richtig beantworten zu können, muss man sich zunächst mit der Biologie des Obstgehölzes näher beschäftigen. Genauer gesagt, muss man wissen, was im Inneren des Baumes passiert. Im Sommerhalbjahr etwa, befinden sich die sogenannten Wuchsstoffe im gesamten Baum. Diese sind verantwortlich für das Wachstum der Äste, Zweige und Wurzeln. Im Herbst werden diese Wuchsstoffe dann größtenteils in den Stamm und die Wurzeln verlagert. Daraus resultierend, richtet sich der richtige Schnittzeitpunkt nach dem Ziel, welches mit dem Schnitt erreicht werden soll.

 

Winterschnitt – gerne bei älteren Bäumen

Bei einem normalen Winterschnitt, wie etwa beim Verjüngungsschnitt, werden die Wuchsstoffe nicht entfernt, da sie sich zu diesem Zeitpunkt im Wurzel- und Stammbereich befinden. Im Frühjahr wird der Baum somit kräftig durchtreiben. Dies wird vor allem bei älteren Bäumen gewünscht, um einen neuen Kronenaufbau zu erzielen. Ein Nachteil beim Winterschnitt ist jedoch, dass die Wunden während des Winterhalbjahres offen liegen und vom Baum nicht schnell verschlossen werden können. Die Wundheilung ist also im Frühjahr und Sommer deutlich besser, die Wunde liegt nicht so lange offen und wird durch die Selbstheilungskräfte des Baumes schnell verschlossen.

 

Frühjahrsschnitt – als „Wuchsbremse“

Wird der Schnitt in das späte Frühjahr gelegt, bremsen Sie das Wachstum des Baumes. Denn dabei werden die bereits langsam vom Wurzel- und Stammbereich in die Astpartien fließenden Wuchsstoffe mit weggeschnitten. Dadurch wird der Baum in seiner Wuchsvitalität „ausgebremst“. Und je weiter Sie den Schnitttermin nach hinten verlegen, desto schwächer fällt der Neuaustrieb aus.

 

Sommerschnitt – zur Belichtung der Früchte

Der Sommerschnitt beim Kernobst sollte eigentlich viel mehr Beachtung finden. Denn schon durch leichte Schnittmaßnahmen fällt zur Reifezeit mehr Licht ins Bauminnere, und die Früchte können besser ausreifen. Gleichzeitig wird die Gefahr eines Pilzbefalls minimiert, da durch mehr Luftbewegung die Blätter schneller abtrocknen können. Ein Sommerschnitt wird allerdings nur empfohlen, wenn durch regelmäßige Schnittmaßnahmen bereits eine fachgerechte Krone aufgebaut wurde.

 

Wachstumsgesetz

Bei allen genannten Zeitpunkten ist jedoch die oberste Schnittregel zu beachten: Je stärker Sie einen Baum zurückschneiden, desto stärker ist der Neuaustrieb, vorausgesetzt, der Obstbaum ist vital und gesund.

 

Wie häufig muss geschnitten werden?

Um diese Frage zu beantworten, müssen Sie sich ebenfalls mit den biologischen Gegebenheiten auseinandersetzen. Die meisten Blüten befinden sich beim Kernobst meist am drei- und vierjährigen Holz. Dies gibt Auskunft, wie häufig geschnitten werden muss. Denn wenn Sie dieses „Fruchtholz“ schützen wollen, sollten Sie nur alle drei Jahre schneiden. Ausnahme: Wenn Sie stark in den Kronenaufbau eingreifen, müssen Sie im darauffolgenden Jahr erneut zur Schere greifen, um stark gewachsene einjährige Triebe einzukürzen oder einen Teil davon komplett zu entfernen.

 

Technik – denn nur sie entscheidet

Der Schnitt sollte immer mit einer scharfen Schere bzw. Säge leicht schräg durchgeführt werden und stets knapp über einem Auge erfolgen. Augen sind Knospen an den grünen, beblätterten Trieben. Sie sind beim Kernobst mehrere Jahre lebensfähig. Schneiden Sie zu weit vom Auge weg, trocknet der Zweig bis zum Auge zurück, da der Pflanzensaft immer nur bis dorthin steigt.

Beim Sägen stärkerer Äste gilt ebenfalls, dass der Pflanzensaft nur bis zu einem Auge steigt. Demzufolge sollten Sie den Ast entweder am Stamm oder auf einer Ab-leitung eines jungen Triebes absägen. Ob gesägt oder geschnitten, der Schnitt sollte grundsätzlich auf Astring erfolgen. Dies bedeutet, dass am Stamm lediglich ein kleiner Ring (kein Stummel) stehen bleibt. Umgekehrt darf auch nicht bis in den Stamm geschnitten werden. Denn der stehenbleibende Ring enthält besonders viele teilungsfähige Zellen, die zur Überwallung der Wunde führen.

 

Kronenaufbau – der Habitus des Obstbaumes

Bevor es jetzt an den eigentlichen Schnitt von Apfel oder Birne geht, erfolgt zuerst ein kritischer Blick aus der Ferne auf das Gesamterscheinungsbild (Habitus) und ein weiterer aus der Nähe. Der Schnitt sollte anschließend möglichst von oben begonnen werden. Dabei wird entweder ein Haupttrieb, wie bei jeder Pyramidenkrone, festgelegt oder zwei oder mehr Haupttriebe, wie sie bei einer Hohlkrone gebildet werden. Der Schnitt des Terminaltriebes (oberster Haupttrieb) bestimmt die weitere Höhe und Form des Baumes. Der Haupttrieb kann bei einem stärkeren Rückschnitt auf einen jüngeren Trieb abgeleitet werden (den alten Haupttrieb heraussägen und jüngeren Trieb zum neuen Haupttrieb erklären), wodurch sich die Gesamthöhe des Baumes reduzieren lässt.

Anschließend gehen Sie Stück für Stück in die darunterliegenden Etagen und lichten diese aus. Konkurrenztriebe (ähnlich starke Triebe) sowie parallel laufende und tote Triebe sollten Sie dabei gleich komplett entfernen. Jeder Etagenast sollte wie ein gesamter Baum verstanden werden. Auch hier suchen Sie sich zunächst den stärksten Ast aus (Ast 1. Ordnung), legen die Länge fest und kürzen die anderen Äste (2., 3. Ordnung) ein. Auch sehr dicht untereinanderliegende Etagenäste sollten Sie bis zum Stamm entfernen. Als Richtmaß sind 20–30 cm Abstand der Etagenäste ideal.

Nach dem angestrebten Aufbau (Pyramiden- oder Hohlkrone) des Baumes richtet sich der Schnitt der Etagenäste. Dies lässt sich mit einem Blick von Weitem erneut am besten beurteilen. Grundsätzlich sollte ein Baum als Ganzes gesehen und auch so geschnitten werden.

 

Gleichgewicht – auch bei älteren Obstbäumen

Oft findet man in Gärten alte Obstbäume. Ein häufiges Problem bei älteren, lange angeschnittenen Bäumen ist, dass sie zu viele zu kleine Früchte tragen. Bei diesen Bäumen stimmt oft das physiologische Gleichgewicht (das richtige Verhältnis von Früchten und Blättern) nicht mehr. Es über wiegen die Früchte, und es sind zu wenige Blätter für deren Ernährung vorhanden. Bei diesen Bäumen sollte viel altes Fruchtholz (kleine Kurztriebe) entfernt werden, sodass sich über drei bis vier Jahre (s.o.) neues Fruchtholz bilden kann. Ebenso empfiehlt es sich, einen stärkeren Rück- und Verjüngungsschnitt vorzunehmen, um neues Triebholz zu fördern. Auf Basis solcher Schnittmaßnahmen wird der Baum verstärkt Triebholz (nur Blätter) ausbilden und nach ca. drei Jahren werden wir mit reicher Ernte belohnt.

 

Schnitt junger Bäume

Bei jungen Bäumen sollte ein Pflanz- und Aufbauschnitt erfolgen. In dieser Phase überwiegen die Blätter- und Triebbildung. Um einen jungen Baum schneller zum Fruchten zu bringen, werden junge Triebe in die Waagerechte gebracht. Dadurch wird der Stoffwechsel verändert und die Fruchtbildung gefördert.

 

Es geht nicht ohne Praxis

So viel zu den theoretischen Grundlagen. Praktisches Wissen zum Obstbaumschnitt können und sollten Sie sich bei praktischen Schnittvorführungen immer wieder zu Gemüte führen. Es bleibt immer wieder spannend beim Obstbaumschnitt, weil jedes Obstgehölz unterschiedlich aussieht und eine unterschiedliche Vorgeschichte besitzt. Eine Schablone für den Schnitt gibt es daher nicht, es ist und bleibt ein gärtnerisches Handwerk.

 

 

 

Sven Wachtmann, Vorstandsmitglied für Fachberatung

12/2021

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