Gerichtsurteil: Verein darf Wasser- und Stromanschluss bei Nichtmitgliedern kappen
Wem gehören die Leitungen?
Jeder Kleingärtner schließt einen Pachtvertrag mit dem Bezirksverband und einen Mitgliedervertrag mit dem Verein der örtlichen Kleingartenanlage ab. Die Mitgliedschaft im Kleingartenverein bringt Pflichten mit sich wie z.B. die Ableistung von Arbeitsstunden, Zahlung von Beiträgen oder die Teilnahme an den Mitgliederversammlungen. Es gibt daher den ein und anderen Gartenfreund, der aus dem Verein austritt – sei es, um sich vermeintlich lästigen Pflichten zu entziehen, sei es, weil es nicht menschelt oder um seine Ablehnung gegenüber dem Vorstand deutlich zu machen.
Ein Vereinsaustritt ist grundsätzlich – unabhängig vom Pachtvertrag – möglich, bringt aber auch deutliche Einschnitte für den Kleingärtner mit sich. Der Kleingartenverein ist nämlich bei Vereinsaustritt berechtigt, die in seinem Eigentum stehenden Strom- und Wasserleitungen zur Parzelle zu kappen – so entschied es das Berliner Landgericht in zweiter Instanz.
Darüber hinaus kann der Kleingartenverein in einer Wasserordnung die Abgabe von Wasser an das Nichtvereinsmitglied verbieten, so die Richter. Der Fall hat nicht nur drei Rechtsanwälte (des ausgetretenen Mitglieds, des Vereins und des Bezirksverbandes), sondern auch das Amtsgericht Lichtenberg und das Landgericht über zwei Jahre beschäftigt.
Eigentum an den Wasserleitungen
Zunächst aufzuklären war, wer Eigentümer der Wasser- und Stromleitungen ist. Das ausgetretene Mitglied argumentierte, dass die Wasserleitung durch gemeinsame Arbeit der Gartenfreunde erbaut wurde und daher dem Mitglied ein Anteil an der Wasserleitung zusteht (sogenannte Bruchteilsgemeinschaft), zumal bei Übergabe des Gartens ein Abstand vom Nachpächter gezahlt wird.
Offen ließ das Gericht die Frage, wem die zu DDR-Zeiten verlegten alten Wasserleitungen gehören, denn nach der Wende wurden die Wasserleitungen (von den Vereinsmitgliedern) neu verlegt. Hier sprach dann die BGB-Eigentumsvermutung dafür, dass die Leitungen dem Verein gehören. Und da diese „mit Billigung (Berechtigung) des Landes Berlin als Grundeigentümer und des Bezirksverbandes als Pächter des Grundstücks in Ausübung des Pachtrechts in den Wegen verlegt wurden“, gehören die Leitungen im Boden als sogenannte Scheinbestandteile dem Verein (Amtsgericht Lichtenberg, Az.: 9 C 302/16). Üblicherweise gehören mit dem Boden fest verbundene Sachen dem Grundeigentümer.
Demnach besteht für viele Vereine Rechtssicherheit dahingehend, dass der Verein Eigentümer der nach der Wende neu verlegten Wasserleitungen ist.
„Als Eigentümer durfte der beklagte Verein die Wasserleitung kappen und die Kläger von der Frischwasserversorgung abschneiden. Dies folgt aus § 903 BGB, der es dem Eigentümer einer Sache erlaubt, mit dieser nach Belieben zu verfahren und Dritte von deren Nutzung auszuschließen“, so das Amtsgericht im Urteil.
Kein Mitgliederbeschluss erforderlich
Die Kappung der Wasserversorgung darf der Vorstand auch ohne Mitgliederbeschluss vornehmen. Dies ist nachvollziehbar, denn der vertretungsberechtigte Vorstand vertritt den Verein und nimmt damit auch die Eigentumsrechte für den Verein war.
Nichts anderes gilt nach Auffassung des Amtsgerichts hinsichtlich der Stromleitungen, denn der Verein wartete die Stromleitungen und übt über die Leitungen in den Wegen die „Sachherrschaft“ aus. Daran ändert auch nichts, wenn die Abrechnung des Stroms direkt zwischen Pächter und Stromversorger erfolgt.
Ausdrücklich betonte das Amtsgericht, dass der Kleingartenverein nach dem Gesetz nicht verpflichtet ist, Nichtmitgliedern Wasser- und Stromversorgung bereitzustellen: „Auch das Bundeskleingartengesetz oder die Regularien des Landes Berlin, nach denen dieses Kleingartengelände verpachtet, verpflichtet den beklagten Verein nicht, hier die Parzelle mit Wasser und Stromleitungen zu versorgen.“
Verbot der Abgabe von Wasser zulässig
Sehr klar und deutlich war das Amtsgericht auch dahingehend, dass der Verein seinen Mitgliedern durch Satzung oder z.B. durch eine Wasserordnung verbieten kann, Wasser an Nichtmitglieder weiterzugeben: „Ein Verein kann (…) intern regeln, dass Leistungen, die er für seine Mitglieder erbringt, von diesen nicht an Dritte weitergereicht werden dürfen. Ebenso wie ein Sportverein es nicht hinnehmen muss, dass ein Mitglied zu einer Trainingsstunde Nichtmitglieder mitbringt oder es ein Musikverein nicht hinnehmen muss, dass ein Musikinstrument, welches einem Mitglied zur Verfügung gestellt wurde, von diesem an Dritte zur Nutzung weitergereicht wird, kann ein Kleingartenverein bestimmen, dass von ihm an seine Mitglieder geliefertes Wasser nicht in erheblichem Umfang an Nichtmitglieder weitergeleitet wird.“
Landgericht bestätigt Entscheidung
Auch in der Berufung vor dem Landgericht war der in erster Instanz unterlegene Gartenfreund nicht erfolgreich. Das Landgericht bestätigte die Entscheidung des Amtsgerichts in allen Punkten (Az.: 11 S 18/18). „Wenn sie [die Kleingärtner] die Anlagen des Vereins wieder nutzen möchten, können sie dies nur als Mitglieder und nach den Vorgaben der Satzung“, so die Richter. „Als Nichtmitglieder haben sie keinen Anspruch, die Einrichtungen des Beklagten zu nutzen, denn es steht gemäß § 903 BGB in dessen freien Belieben, andere davon auszuschließen. Insofern können die Kläger sich auch nicht auf ‚Schikane‘ berufen, denn sie haben die derzeitige Situation durch ihre Kündigung selbst mit herbeigeführt.“ Bestätigt hat das Landgericht auch die Auffassung des Amtsgerichts, wonach der Verein die Abgabe von Wasser und Strom an Nichtmitglieder untersagen kann.
Vereinsmitgliedschaft bringt Vorteile
Im Ergebnis standen die aus dem Verein ausgetretenen Pächter ohne Wasser und Strom da. Auch auf andere Vereinseinrichtungen wie z.B. Nutzung von Müllstandsflächen oder Zugang zum Vereinsheim lässt sich die vorgenannte Entscheidung übertragen. Nichtmitglieder haben grundsätzlich keinen Anspruch darauf, Vereinseinrichtungen in selber Weise wie Mitglieder oder sogar kostenlos zu nutzen. Daher wird sich jedes Vereinsmitglied zweimal überlegen, ob die Mitgliedschaft im Kleingartenverein nicht doch mehr Vor- als Nachteile mit sich bringt.
Sven Kohlmeier
Sven Kohlmeier ist spezialisiert im Vereinsrecht sowie Fachanwalt für IT-Recht und zertifizierter Mediator. Mit seiner Kanzlei (www.kanzleikohlmeier.de) hat er in diesem Verfahren den beklagten Verein vertreten. Unter www.vereinsjurist.de betreibt die Kanzlei ein Portal mit Informationen und News zum Vereinsrecht.
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Dieser Artikel ist in der September-Ausgabe 2020 Verbandszeitschrift Berliner Gartenfreund, Seite 9/16 bis 9/17, erschienen.